Im Juni 2024 haben wir Ihnen zuletzt über den Sachstand rund um das Thema Sexualisierte Gewalt in einer Rundmail Auskunft gegeben. Seither hat sich einiges sowohl in der Evangelischen Kirche im Rheinland wie auch auf Ebene der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) getan. Darüber informiere wir Sie heute:
Stabsstelle Prävention, Intervention und Aufarbeitung
Die Stabsstelle beim Vizepräses, die ursprünglich von Kirchenrat Jürgen Sohn mit einer halben Stelle geleitet und mit einem Sachbearbeitungsanteil ausgestattet war, heißt inzwischen richtigerweise Stabsstelle Prävention, Intervention und Aufarbeitung. Sie wurde auf Beschluss der Kirchenleitung in Abstimmung mit dem Vorsitzenden des Ständigen Finanzausschusses personell verstärkt und ihre Organisationsstruktur an die wachsenden Herausforderungen angepasst. Neue Leiterin ist die Kriminologin Katja Gillhausen. Die Bereiche Interventionsmanagement und Aufarbeitung wurden verstärkt. Seit 1. November ist eine Referentin für die Begleitung und Beratung von Interventionsprozessen Bestandteil der Stabsstelle.
Neben der Meldestelle ist auch die Ansprechstelle für Betroffene inzwischen in die Stabsstelle integriert.
Der Meldestelle sind bislang (Stand: 12. November 2024) 118 Fälle gemeldet.
Seit 1. Oktober ist eine Referentin für Aufarbeitung im Team, die bereits zuvor als Sachbearbeiterin in diesem Bereich tätig war. Sie begleitet Aufarbeitungsstudien sowie Aufarbeitungsprojekte in den Kirchenkreisen und Kirchengemeinden. Im Bereich der Aufarbeitung hat Abteilung 3 im Nachgang zur Forschungsstudie zum Martinstift in Moers ein Projekt der Aufarbeitung gewaltförmiger Konstellationen in allen Schülerheimen und Internaten auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland im Auftrag gegeben.
Gemeinsame Standards für die Aktendurchsicht
Akten und Personalverantwortung für alle kirchlich Beschäftigten jenseits des Pfarrdienstes liegen auf Gemeinde- oder Kirchenkreisebene. Diese Verantwortung als Anstellungsträger kann nicht an andere Ebenen delegiert werden. Ein Leitfaden, der gerade entsteht, fasst zusammen, wer auf welcher Ebene für was zuständig ist. Die Stabsstelle hat inzwischen der Konferenz der Superintendent*innen für unterschiedliche denkbare Fallkonstellationen Prozessbeschreibungen vorgelegt.
Gearbeitet wird an gemeinsamen Standards für die Aktendurchsicht. Nicht zuletzt ist das Wissen vor Ort über die Aktenlage hinaus unerlässlich für den Aufarbeitungsprozess von Altfällen. Da es noch keine verbindlichen Regelungen zur Aufarbeitung aus dem Beteiligungsforum auf EKD-Ebene gibt, hat eine Arbeitsgruppe im Landeskirchenamt eine Verfahrensanleitung, die den Kirchenkreisen Hilfestellungen für die praktische Durchführung einer standardisierten Aktendurchsicht geben soll, entwickelt. Das Landeskirchenamt will hierzu im Rahmen eines Pilotprojekts mit einem Kirchenkreis zusammenarbeiten und evaluiert fortlaufend die der praktischen Arbeit zugrunde liegende Verfahrensanleitung.
EKD: Anerkennungsverfahren und -leistungen werden neu definiert
Für die Synode der EKD, die vergangene Woche in Würzburg tagte, wurde im Beteiligungsforum ein Katalog mit zwölf konkreten Maßnahmen erarbeitet. In diesem Zusammenhang wurden auch die Anerkennungsverfahren und Anerkennungsleistungen neu definiert und in ein Beteiligungsverfahren der Landeskirchen und Landesverbände der Diakonie gegeben, um dann durch Ratsbeschluss in Kraft gesetzt zu werden. Dieses Beteiligungsverfahren läuft aktuell. Mit der angestrebten Reform sollen die Anerkennungsverfahren vereinheitlicht und ein Gesprächsrecht verankert werden. Die EKD-Synode hat sich beschlussmäßig hinter den Maßnahmenplan gestellt und den Rat beauftragt, für eine unverzügliche Umsetzung zu sorgen. Den Bericht des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt können Sie hier nachlesen.
Rechte Betroffener im Disziplinarverfahren werden gestärkt
Weiter hat die EKD-Synode Änderungen für Disziplinarverfahren beschlossen, um die Rechte Betroffener in diesen Verfahren zu stärken: So wird die Möglichkeit zur weitgehenden Akteneinsicht geschaffen. Darüber hinaus soll ein Informationsrecht über den Verfahrensstand und das Recht, sich durch das gesamte Verfahren von drei Personen begleiten zu lassen, deren Kosten übernommen werden, eingeräumt werden. Derzeit entsteht außerdem ein Leitfaden für betroffene Menschen, die als Zeug*innen in Disziplinarverfahren aussagen.
Vernetzungsplattform für Betroffene ist online
Inzwischen ist auch die Vernetzungsplattform BeNe (BetroffenenNetzwerk) online. BeNe wurde durch die Arbeitsgruppe „Vernetzungsplattform BeNe“ des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt entwickelt und gibt von sexualisierter Gewalt Betroffenen die Möglichkeit, sich auszutauschen und zu vernetzen.
BeNe ist eine Seite von Betroffenen für Betroffene von sexualisierter Gewalt. Das zentrale Element ist das Ermöglichen der Kommunikation in Foren. Hier können verschiedenste Themen in einem sicheren Rahmen diskutiert werden. Auf BeNe können Betroffene außerdem über eine Pinnwand beispielsweise Hinweise auf Veranstaltungen oder auch kreative Beiträge teilen. Es gibt gebündelt Informationen über Anerkennungsverfahren und Fachstellen der evangelischen Kirche und Diakonie und zu unabhängigen Unterstützungsangeboten. BeNe ist ein Angebot für alle von sexualisierter Gewalt Betroffenen, unabhängig vom Tatkontext. BeNe bietet verschiedene Möglichkeiten der Vernetzung und ist barrierearm. Finanziert wird das Projekt durch die EKD nach einem Beschluss der Synode der EKD.
Gesetzentwurf zu Schutz und Aufarbeitung
Inzwischen liegt zudem der Regierungsentwurf eines Bundesgesetzes zu Schutz und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt vor. „Die EKD und die Diakonie Deutschland begrüßen und unterstützen mit Nachdruck, dass mit dem vorliegenden Gesetzesvorhaben die staatlichen Strukturen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt und zu deren Aufarbeitung deutlich gestärkt werden“, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme von EKD und Diakonie. In dieser Stellungnahme geben wir wichtige Anregungen. Dabei geht es u. a. darum, dass es eine Weitung über sexualisierte Gewalt gegen Kinder hinaus geben sollte. Außerdem regen Kirche und Diakonie eine Präzisierung beim Recht auf Akteneinsicht und eine weitergehende Stärkung der Ausstattung der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) an.
Christoph Pistorius
Vizepräses
Beauftragter der Kirchenleitung für Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt