„I’m dreaming of a white Christmas.“ Für viele gehört das zum Bild eines friedvollen Festes: weiß bedeckte Tannen, Schlitten mit Glocken, Schnee, der die Welt stiller, friedlicher macht. Doch der Traum von weißen Weihnachten könnte schon sehr bald Schnee von gestern sein. Wir erleben 2024 das heißeste Jahr, seit es Klimaaufzeichnungen gibt. Die 1,5-Grad-Grenze im Vergleich zur vorindustriellen Zeit wird schon jetzt überschritten. Mit verheerenden Folgen: Extremwetter wie jüngst etwa in Spanien. Dürren, Wüsten, Hungersnöte in anderen Erdteilen. Und ganze Inselstaaten, die absehbar verschwinden.
Angesichts dessen sind die Ergebnisse der inzwischen sage und schreibe 29. Weltklimakonferenz der UN in Baku ein Skandal. Man konnte sich kaum darauf einigen, selbst Beschlüsse des Vorjahres zu wiederholen. Nach den Plänen von Paris 2015 wollte die Welt 2050 annähernd klimaneutral sein. Das wäre in 25 Jahren der Fall. Doch die Emission von Treibhausgasen sinkt nicht, im Gegenteil, sie steigt unablässig weiter an. 2023 waren die Emissionen so hoch wie noch nie. Wahrscheinlich ist, dass dieser Trend auch 2024 oder 2025 nicht gebrochen wird. Und der kommende US-Präsident Trump prahlt damit, selbst erreichte Klimamaßnahmen zurückzudrehen („Drill, baby, drill“) und aus dem Pariser Abkommen auszusteigen.
„I’m dreaming of a white Christmas.“ Was trägt der Traum von Weihnachten aus angesichts des Klimawandels als einer der größten Menschheitsaufgaben? Was lässt sich aus der Geschichte von Bethlehem für die Beschlüsse von Baku lernen? Und was kann man hoffen, ohne naiv zu werden?
Die Weihnachtsgeschichte erzählt davon, wie aus blanker Wohnungsnot neue Gemeinschaft entsteht. Maria, Josef und das Christuskind in der Krippe im Stall bei den Tieren. Ein Zeichen dafür, dass Gott „unten“, bei den Armen, zur Welt kommt – und dass dieses Kind der Christus für die ganze Schöpfung sein wird. Die alte Verheißung vom Frieden zwischen Mensch und Tier klingt hier an: „Da wird der Wolf beim Lamm wohnen und der Panther beim Böcklein lagern. […] Kuh und Bärin werden zusammen weiden, ihre Jungen beieinanderliegen.“ (Jes 11) An der Krippe kommen Hirten, Engel und Weise zusammen. Gleichsam ein gemeinsames Aufbrechen von einfachen Arbeitern, Himmelsboten und Wissenschaftler*innen. Auch zur Zeit der Geburt Jesu gab es keine Zeichen dafür, dass es besser wird. Dass die römische Unterdrückung endet. Dass Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit wirklich werden. Der Stern von Bethlehem leuchtet nachts, in der Provinz, über einem einsamen Stall.
Jetzt, im Advent, geht es um Trotzkraft. Um Licht in der Finsternis. Um offene, unerfüllte Hoffnung, die nicht auf dem ruht, was wir tun. Und um eine „brennende Geduld“, die Menschen verändert. „Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ Das macht die ökologischen Probleme von Klimakrise, Artensterben, Vermüllung der Meere nicht kleiner. Aber es hilft mir, nicht aufzuhören, gemeinsam dagegen anzugehen. Ich kann „die Welt“ nicht retten. Wir alle können das nicht. Das ist letztlich Gottes Sache. Aber wir können an unserer Stelle alles tun, um die Schöpfung zu bewahren.
Dazu gehört für mich auch, mich von manchen meiner Weihnachtsbilder zu lösen. Advent heißt auch Umkehr. Das Fest wird nicht schöner mit der Menge der Geschenke. Der kollektive Konsumrausch in den Black Friday Weeks hat mit der Geschichte im Stall herzlich wenig zu tun, eher mit Dekadenz zu Zeiten Roms. Auch perfekt gezüchtete Nordmanntannen, Flüge auf die Malediven oder künstlich präparierte Schneepisten sind keine weihnachtlichen Essentials und haben ihren ökologischen Preis. Zugleich versuche ich, neue Seiten der Advents- und Weihnachtsgeschichte für mich zu entdecken. Gemeinsame Orte und Begegnungen zu suchen mit den anderen unterwegs: den Sternsucherinnen, den Hütern auf dem Feld, den Himmelsboten. Ich versuche, mich neu als Teil der Schöpfung zu verstehen: an der Seite von Ochse und Esel, die mir in ihrem Verhalten oft ähnlicher sind, als mir lieb ist. Und mich im Warten zu üben auf den Friedensfürsten, der da kommen soll – und der schon im Warten gegenwärtig ist und mich verändert. Der Theologe Dietrich Bonhoeffer drückte es so aus: „Gott erfüllt nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Verheißungen.“
„I’m dreaming of a white Christmas.“ Es ist gut, von Weihnachten zu träumen. Träume, die mein Leben verändern. Träume, in denen Gott mir begegnet. Träume, die mich nicht abstumpfen lassen: „Da kann ich eh nichts tun.“ In unseren Träumen spüren wir die Kraft der Erwartung und die Gegenwart des Verheißenen. Wovon träumen Sie an Weihnachten?
Text und Beitragsbild: EKiR.de