Betroffene und Zeitzeug*innen gesucht

PRESSEMITTEILUNG Nr. 50/2025

Rheinische Kirche sucht Betroffene und Zeitzeug*innen für Internatsstudie

Sexualisierte Gewalt: Wissenschaftliche Untersuchung beginnt Anfang 2026

Düsseldorf (30. Juni 2025). Als Konsequenz aus der 2023 vorgestellten Studie zum Martinstift in Moers hat die rheinische Kirchenleitung eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung zum Thema „Sexualisierte Gewalt in den evangelischen Internaten im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland“ beschlossen. In einem heute veröffentlichten Aufruf bitten die beauftragten Wissenschaftler und die rheinische Kirche jetzt um Unterstützung durch Betroffene und Zeitzeug*innen.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung wird von PD Dr. Daniel Gerster übernommen und von Prof. Dr. Klaus Große Kracht von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg begleitet. Die Studie startet im Januar 2026 und soll nach einem Jahr abgeschlossen sein. Sie bezieht sich auf die evangelischen Internate, Alumnate und Schülerheime in Bad Godesberg, Burscheid, Dierdorf, Herchen, Hilden, Kaiserswerth, Meisenheim, Neukirchen-Vluyn, Neuss und Traben-Trarbach. Außerdem war die Evangelische Kirche im Rheinland zusammen mit der Evangelischen Kirche von Westfalen auch Trägerin des Wohnheims des Jung-Stilling-Instituts im westfälischen Espelkamp-Mittwald.

Betroffenenperspektive wird einbezogen

„Die bedrückenden Ergebnisse zum Schülerheim Martinstift verstehen wir als Auftrag, alle evangelischen Internate, die es auf dem Gebiet unserer rheinischen Kirche gegeben hat, in den Blick zu nehmen“, sagt Vizepräses Antje Menn, Beauftragte der Kirchenleitung für das Thema sexualisierte Gewalt. „Mit der neu beauftragten Studie, die auch die Perspektive von Betroffenen einbezieht, stellen wir uns institutionellem Versagen und Machtmissbrauch im Kontext unserer Internate. Wir sind den Betroffenen Aufklärung und Aufarbeitung schuldig.“

Einrichtungen inzwischen überwiegend geschlossen

Die Einrichtungen wurden zumeist in den 1950er Jahren eröffnet, haben zum Teil in den Folgejahren Trägerwechsel erlebt und sind inzwischen überwiegend wieder geschlossen. „Bei drei Internaten sind Verdachts- bzw. dokumentierte Fälle sexualisierter Gewalt gegen damalige Bewohner und Bewohnerinnen bekannt“, informiert Oberkirchenrätin Henrike Tetz, Leiterin der Abteilung Bildung und Diakonie. Nun würden weitere Menschen gesucht, die im Zusammenhang mit den genannten Internaten von sexualisierter Gewalt betroffen waren und zu einem Interview oder schriftlichen Äußerungen bereit seien. „Aber wir sind darüber hinaus auch an allgemeinen Erinnerungen von Zeitzeug*innen an die Internatszeit interessiert, um den gesellschaftlichen und atmosphärischen Kontext zu erhellen.“

Bearbeitung der Interviews in anonymisierter Form

Die Durchführung der Studie erfolgt unabhängig von der Evangelischen Kirche im Rheinland. Die Forscher sind mit sexualisierter Gewalt als Forschungsthema vertraut und sichern eine verantwortungsvolle Gesprächsatmosphäre zu. Inhalte der Interviews als einem wichtigen Bestandteil der breiten Quellenbasis der Studie werden vertraulich behandelt, die Bearbeitung erfolgt in anonymisierter Form. Die Forschungsergebnisse werden anschließend veröffentlicht. „Ziel der Studie ist es, Fälle sexualisierter Gewalt in evangelischen Internaten in Umfang und Häufigkeit zu erfassen und aufzudecken, welche Personen und Strukturen die Gewalt ermöglicht haben“, so Privatdozent Dr. Daniel Gerster, der die Studie leitet. „Dazu werden Erfahrungsberichte von Betroffenen gehört und die Aktenbestände von rheinischer Kirche und Trägerorganisationen erforscht.“

Verschiedene Ansprechmöglichkeiten

Betroffene oder Zeitzeug*innen können sich an die Ansprechstelle für den Umgang mit Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung der Evangelischen Kirche im Rheinland (Claudia Paul, Telefon 0211 4562-391, E-Mail claudia.paul@ekir.de), die Hilfsorganisation Weißer Ring oder die Vertrauenspersonen des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch wenden.

Stichwort: Studie Martinstift Moers

Ende März 2023 wurden in Moers die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Aufarbeitung der gewaltförmigen Konstellation der 1950er Jahre im evangelischen Schülerheim Martinstift im Moers“ vorgestellt. Die gut 130 Seiten umfassende Studie war die erste auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland zum Themenfeld sexualisierte Gewalt und wurde neben der rheinischen Kirche vom Kirchenkreis Moers, der Kirchengemeinde Moers und dem Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe finanziert.

Den Betroffenenaufruf können Sie hier herunterladen.

Zwischen Sofa-Pazifismus und Rüstungswahn

Zwischen Sofa-Pazifismus und Rüstungswahn: Kirche verortet sich neu

Friedensethische Diskussion in Wuppertal mit Präses Latzel und Bischof Kramer

Düsseldorf/Wuppertal (25. Juni 2025). Eine Verschärfung der Feindbilder seit Beginn des Ukrainekriegs, eine extreme Aufrüstungswelle – und eine Kirche, die ihre Friedensethik neu ausrichten muss: „Wer soll zur Versöhnung rufen, wenn nicht wir?“, so Friedrich Kramer, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, in einem Podiumsgespräch in Wuppertal. Auch Dr. Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, forderte zur „Entfeindung“ auf, warnte aber zugleich vor einem „Sofa-Pazifismus“: „Ich halte es für schwierig, wenn wir der Ukraine von außen sagen, wie sie sich verhalten soll.“

Bischof Kramer, seit 2022 auch Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland, sprach im Audimax der Kirchlichen Hochschule Wuppertal vor Superintendent*innen der rheinischen und der mitteldeutschen Kirche davon, der Verteidigungskampf der Ukraine sei „ein legaler Krieg, aber kein gerechter Krieg“. Angesichts der tödlichen Konsequenzen bis nach Afrika durch ausbleibende Nahrungsmittellieferungen steht für ihn fest: „Es gibt keinen gerechten Krieg.“ Präses Latzel widersprach nicht, wandte aber ein: „In einer unerlösten Welt ist auch die Eindämmung des Bösen legitim. Der Krieg wäre sofort beendet, wenn Russland Schluss macht.“

Umstrittene Aufrüstungsbemühungen

Unterschiedlich bewerten die beiden leitenden Geistlichen die derzeitigen Aufrüstungsbemühungen. Für Kramer sind sie nicht notwendig, sondern könnten sogar die gewünschte Abschreckungswirkung in ihr Gegenteil verkehren. Latzel hält eine Stärkung der Verteidigungsbereitschaft dagegen für ein „notwendiges Instrument“. Kirche müsse aber immer „an der Seite der von Gewalt Betroffenen stehen“. Welche Rolle ihr insgesamt im Bemühen um Frieden zukommt, dazu herrschte auch in den Beiträgen aus dem Publikum Unsicherheit. Womöglich fängt es aber schon mit der Sprache an: „Wir befinden uns nicht in der Vorkriegszeit, sondern in der Vorfriedenszeit“, so der EKD-Friedensbeauftragte. „Denn am Ende steht immer der Frieden.“

Mehrtägige Ost-West-Begegnung auf dem Heiligen Berg

Das friedensethische Podiumsgespräch war Teil einer mehrtägigen Ost-West-Begegnung. Sowohl die rheinischen als auch die mitteldeutschen Superintendent*innen hatten sich zu Tagungen auf dem Heiligen Berg verabredet und immer wieder auch gemeinsame Programmpunkte vereinbart. Einer davon: die paarweise Freizeitgestaltung. Für Jens Sannig, Superintendent im Kirchenkreis Jülich, eine vertraute Übung: Schon 2022 beim ersten Treffen in Erfurt hatte er dabei seinen Jenaer Amtskollegen Sebastian Neuß näher kennengelernt. „Die befinden sich dort als Kirche längst in Transformationsprozessen, zu denen wir noch kommen werden“, erzählt er. Nicht die einzige Erkenntnis, von denen man am Niederrhein profitieren wollte. Vor zwei Jahren reiste der gesamte Pfarrkonvent nach Jena, im vergangenen Jahr gab es den Gegenbesuch.

In Netzwerken weiter stark sein

Sannig beeindruckt an seinen Thüringer Pfarrkolleginnen und -kollegen vor allem, „mit welcher Fröhlichkeit dort Kirche gestaltet wird“. Sie fragten nicht, „was wir verlieren, sondern was wir gewinnen können“. Eine weitere Anregung, die er aus den Begegnungen mitnimmt: „Wir müssen lernen, dass wir nicht mehr der Mittelpunkt sind, aber in Netzwerken weiter stark sein können.“ Und auch im Denken über die Gemeindegrenzen hinaus sei man im Osten weiter. Das sei auch notwendig bei nur noch rund 17.000 Gemeindegliedern im Kirchenkreis Jena. Die Haltung dort nach Sannigs Worten: „Wir sind so wenige, dass wir fast schon wieder sexy sind.“

Stichwort: Evangelische Kirche in Mitteldeutschland

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) ging 2009 aus dem Zusammenschluss der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen hervor. Sie hat wie die Evangelische Kirche im Rheinland derzeit 37 Kirchenkreise. Die Mitgliederzahl beträgt mit knapp 600.000 im Vergleich zur rheinischen Kirche (gut 2,1 Millionen) aber weniger als ein Drittel. Bischofssitz ist Magdeburg, das Landeskirchenamt befindet sich in Erfurt.

PRESSEMITTEILUNG Nr. 48/2025 der Evangelischen Kirche im Rheinland

Autor: Ekkehard Rüger, ekkehard.rueger@ekir.de, Telefon 0211 4562-290
Kontakt: Pressesprecherin Cornelia Breuer-Iff, cornelia.breuer-iff@ekir.de, Telefon 0211 4562-423

Kalungu braucht unsere Hilfe!

Unsere Partner-Gemeinde in Kalungu (Kongo) braucht dringend unsere Hilfe!

Der Konflikt im Osten der Demokratischen Republik Kongo hat sich dramatisch zugespitzt. Am 27. Januar übernahm die Rebellenmiliz M23 die Kontrolle über die Millionenstadt Goma, nachdem die Kämpfe zwischen Milizen und der kongolesischen Armee im Nordkivu massiv zugenom­men haben. Seit Anfang des Jahres sind ca. 500.000 Menschen in die Provinzhauptstadt geflohen.

Damit ist die Zahl der Ge­flüchteten in und um Goma auf mehr als eine Million gestiegen.

Die Situation der Geflüchteten ist katastrophal, insbesondere für Frauen, Kinder und alte Menschen. Viele sind schwer trau­matisiert, da sie Angehörige verloren haben oder ihren Besitz zurücklassen mussten. Die Baptistische Kirche in Zentralafrika (CBCA), unsere VEM-Mitgliedskirche mit Sitz in Goma, berichtet, dass es in den ersten Tagen nach der Übernahme durch Rebellen weder Strom noch Trinkwasser gab. Seit wenigen Tagen hat sich die Situation etwas stabilisiert, doch es kommt immer wieder zu Ausfällen. Die Krankenhäuser in Goma und Umgebung sind völlig überlastet. Es fehlen lebenswichtige Medikamente und Verbandsmaterialien. Im Ndosho Hospital der CBCA wurden innerhalb weniger Tage allein 450 Menschen mit Schussverletzungen versorgt. Eine Augen­zeugin* berichtet per Handy, dass sich die Bewohner*innen in ihren Häusern verschanzen, weil ständig Schüsse und Explosionen zu hören sind. Trotzdem sind die Straßen voll von Menschen, die nach einer Unterkunft suchen.

Massiv betroffen von diesen kriegerischen Auseinandersetzungen ist unser Partner-Gemeinde in Kalungu!

Bitte helfen Sie unseren Geschwistern mit einer Spende an die Vereinigte Evangelische Mission:

Den ganzen Bericht der VEM über die Situation im Kongo finden Sie hier.

Bild: Vereinigte Evangelische Mission